Der Krieg in der Ukraine – das ist in diesen Tagen in vielen Familien das Thema Nummer eins. Die Eltern sind angespannt, verunsichert, manche haben Angst. Das bekommen die Kinder mit – auch die jüngeren. „Wir Eltern sind plötzlich – wieder (!) – gefordert, unsere Kinder in einer ungewissen, ungreifbaren und beunruhigenden Situation zu begleiten“, betont die Pädagogin, Kriminologin und Buchautorin Isabel Ruland aus Bonn. Auf MENSCHENSKINDER-NRW.de erläutert sie, was Eltern tun können, um die Sorgen ihrer Kinder aufzufangen.
Isabel Ruland: „Kinder und Jugendliche brauchen Antworten, die ihren Gefühlen gerecht werden, jüngere Kinder anders als ältere. Dabei ist es unabhängig, ob Kinder selbst mit Fragen oder Bemerkungen auf uns zu kommen oder ob wir von uns aus das Gespräch anbieten: Wir sollten mit unseren Kindern sprechen.“
Worauf sollte ich als Mutter oder Vater achten, wenn ich mit meinem Kind über den Krieg spreche?
Isabel Ruland: Hören Sie gut zu. Hören Sie „zwischen den Zeilen“. Spiegeln Sie die wahrgenommenen Gefühle und versichern Sie, dass Sie auch so empfinden. Beantworten Sie alle Fragen offen nach bestem Wissen und Gewissen. Bleiben Sie bei den Informationen, die seriöse Medien bereitstellen. Denken Sie daran: Je jünger Kinder sind, umso mehr ergänzen und ersetzen sie Wissenslücken durch magisches Denken, durch Fantasiebrücken.
Mit älteren Kindern und Teenagern können wir besprechen, wo wir Informationen herbekommen, wie sie zu bewerten sind. Suchen Sie seriöse Nachrichtenapps und -sendungen in den Medien. Für Kinder ist der KIKA mit seinen altersangepassten Nachrichten und Informationssendungen hilfreich, ältere Kinder/Jugendliche können seriöse Nachrichtensendungen und Zeitungen nutzen. Sprechen Sie mit älteren Kindern/Jugendlichen darüber, was sonst noch so durch die Medien geistert, Plattformen wie TikTok etc. bergen die Gefahr unseriöser oder verstörender Bilder und Informationen. Lassen Sie Ihr Kind nicht allein damit. Schauen/hören Sie gemeinsam, sprechen Sie über das Gesehene/Gehörte.
Was ist, wenn ich mir als Mutter oder Vater selbst Sorgen mache?
Isabel Ruland (IR): Benennen Sie das. Ihr Kind spürt das, auch wenn Sie es nicht aussprechen. Kinder haben sehr sensible Antennen für Stimmungen und für unsere Gefühle, sie sind ja existentiell davon abhängig. Sie geraten in Konflikte, wenn wir Gefühle und Situationen leugnen (Ängste, Sorgen – in dem guten Glauben, unsere Kinder vor Bösem schützen zu wollen), weil sie diese dennoch spüren. Sagen Sie, dass sie sich auch Sorgen machen, Kinder fühlen sich so emotional verstanden.
Welche Möglichkeiten habe ich als Mutter oder Vater, meinem Kind zu helfen, mit der Situation besser zurechtzukommen?
IR: Ein wichtiger Punkt der Bewältigung ist Selbstwirksamkeit. Unsere Kinder (und wir) können den Krieg nicht beeinflussen. Wir haben keine Kontrolle und bekommen Angst. Die Angst können wir aber beeinflussen und uns Entlastung verschaffen, indem wir Kontrolle über unsere eigene Situation haben. Dazu gehört: Wir können helfen, es wird nötig sein, geflüchtete Menschen aus der Ukraine zu unterstützen. Wir können spenden. Wir können unsere hier lebenden ukrainischen Bekannten unterstützen und trösten, vielleicht hat Ihr Kind ukrainische Klassenkameraden.
Wichtig ist, mit Kindern darüber zu sprechen, dass auch viele russische Familien in Deutschland leben, sicher kennt jeder auch Familien aus der Nachbarschaft, der Schule oder dem Kindergarten oder ist mit russischen Kindern befreundet. Sie sorgen sich auch über den Krieg, haben vielleicht Freunde und Familie in Russland oder der Ukraine. Es kann sein, dass auch Menschen aus Russland fliehen, weil sie Angst haben und bei uns Schutz suchen.
Wir können auf eine Friedensdemonstration gehen und zusammen mit anderen Menschen selbstgemalte Plakate für den Frieden in allen Ländern hochhalten. Das alles können Kinder und Jugendliche mitmachen und das Gefühl erlangen, nicht vor der eigenen Ohnmacht wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen.
Was können wir als Eltern denn noch tun?
IR: Kinder und Jugendliche brauchen umso mehr Sicherheit in der persönlichen Beziehung, umso unsicherer und ohnmächtiger sie die Umgebung wahrnehmen. Der wichtigste Bezugspunkt sind Sie als Eltern. Bieten Sie Ihrem Kind einen festen Anker. Sie können Fragen beantworten und Gefühle auffangen. Sie können sprechen und trösten. Sie können Sicherheit geben und auf eine entlastende Alltagsroutine mit Ablenkung und positiven Meilensteinen achten. Sie können die Verantwortung für die emotionale Situation der Familie übernehmen, damit Ihr Kind nicht zu seiner eigenen Angst noch davon erdrückt wird. Denken Sie auch daran, dass Kinder nicht ständig Angst haben – sie können von ihr übermannt werden, einige Zeit später aber ganz von ihr entlastet sein und konzentriert mit etwas ganz Anderem beschäftigt sein oder fröhlich spielen.
Zum Weiterlesen
- Isabel Ruland: „Wie können wir mit unseren Kindern über den Krieg reden?“
- Kindgerechte Nachrichten: logo! (ZDF) oder KiRaKa (WDR)