Symbolfoto: tung256 auf Pixabay
Symbolfoto: tung256 auf Pixabay
 

Hebammenpraxis begleitet Familien auf ihrem Weg

12. Dezember 2023, red

Ein erfolgreiches Standort-Projekt des Essener Kinderschutzbundes unterstützt junge Familien. In MENSCHENSKINDER stellen wir es vor.

Schon vor ihrer Schwangerschaft hatte Christiane Schmidt Depressionen. Als Tochter Nora geboren wird, tauchen die depressiven Verstimmungen im Frühwochenbett wieder auf. Neben Noras Vater und Großmutter steht Christiane Schmidt und dem Baby das Team der Hebammenpraxis „Schützende Hände“ des Kinderschutzbundes Essen zur Seite. Hebamme Ivonne Rauer betreut die Familie drei Monate lang intensiv. Der Redebedarf von Christiane Schmidt ist groß. Bei den letzten Terminen kommt Gesundheits- und Kinderkrankenschwester Alina Schrör hinzu. Sie berät die Familie zunächst zuhause; zusehends finden die Beratungen in der Hebammenpraxis statt. Dort gibt es zweimal im Monat ein Elterncafé. Christiane Schmidt und ihre mittlerweile siebenmonatige Tochter Nora besuchen das Café regelmäßig, sodass auch Hebamme Ivonne Rauer weiterhin die Familie trifft und sie beraten kann.

Wo junge Eltern Hilfe bekommen

Hebamme Ivonne Rauer. © Krupp-Stiftung/Foto: Schuchrat Kurbanov
Hebamme Ivonne Rauer. © Krupp-Stiftung/Foto: Schuchrat Kurbanov

Familienzuwachs ist etwas Schönes, kann aber gleichzeitig das Leben einer frischgebackenen Familie auf den Kopf stellen. Oftmals sind gerade junge Mütter und Väter überfordert mit der neuen Situation und wissen nicht, wo sie Hilfe einholen können. In solchen Fällen können sich werdende sowie Neu-Eltern aus dem Essener Norden an die vor gut einem Jahr eröffnete Hebammenpraxis „Schützende Hände“ des Kinderschutzbundes wenden. Hebamme Ivonne Rauer und Kinderkrankenschwester Alina Schrör arbeiten Hand in Hand, um Familien bei unterschiedlichen Fragestellungen zu helfen und sie durch die Herausforderungen einer Elternschaft zu navigieren. Die Praxis hat im ersten Jahr etwa 120 Familien betreut und rund 900 Beratungen angeboten.

Die Einrichtung wird von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern, wie den Betriebskrankenkassen, unterstützt. Im ersten Schritt förderte die Stiftung die Erstausstattung der Praxis und die Anschaffung eines „Hebammenmobils“. In einem zweiten Schritt sichert die Stiftung die Personalkosten für die Kinderkrankenschwester für insgesamt drei Jahre. „Wir als Stiftung fördern zahlreiche Projekte an unserem Standort in Essen. Dabei ist es unser Ziel, Strukturen zu schaffen und gesell­schaft­liche Herausforderungen zu meistern. Eine Hebammen­praxis im Essener Norden bietet jungen Müttern und Vätern ein zielgerichtetes Hilfs­angebot für die Herausforderungen des Elterndaseins. So freuen wir uns, das Engagement fortzusetzen“, erläutert Prof. Ursula Gather, Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung. 

1.000 wichtige Tage

Seit mehr als zehn Jahren weitet der Kinderschutzbund Essen seine Gesund­heitsangebote für Schwangere und junge Familien aus, um die Kinder so früh wie möglich – idealerweise schon vor der Geburt – zu schützen und in ihrer Entwicklung zu unterstützen. „Die ersten 1.000 Tage sind ganz entscheidend für ein Kind. Sie bestimmen im Wesentlichen über seine Gesundheit und seine Emotionen, darüber ob es Vertrauen, Liebe und Zuneigung empfinden kann. Mit der Hebammenpraxis wollen wir die Weichen für die ersten 1.000 Tage eines Kindes stellen“, sagt Prof. Dr. Ulrich Spie, Vorstandsvorsitzender des Kinderschutzbundes Essen.

„Es gibt in Essen drei Stadtteile, in denen 70 Prozent der Kinder die Schuleingangsuntersuchung nicht schaffen. In anderen Stadtteilen sind es 50 Prozent. Je älter ein Kind ist, desto schwieriger, langwieriger und kostspieliger ist es, diese Defizite aufzufangen“, verdeutlicht Birgit Pammé, Fachbereichsleiterin Kindesentwicklung, die Bedeutung des frühzeitigen Ansatzes der Hebammenpraxis. Mit dem Angebot soll die Betreuungslücke bei Kindern und jungen Familien zwischen Hebammenversorgung und Kitabesuch geschlossen werden.

Eltern auffangen, wenn sie sich überfordert fühlen

Im Fokus der Hebammen­praxis stehen Kinder, die in ein schwieriges familiäres Umfeld hinein­geboren werden, weil die Eltern beispielsweise minderjährig sind, Elternteile alleinerziehend sind oder übliche Gesundheitsangebote wie U-Untersuchungen nicht wahrgenommen werden. Die geographische Lage spielt dabei eine Rolle: Im Vergleich zum Gesamt­durch­schnitt der Stadt Essen, der bei knapp 20 Prozent liegt, verzeichnet der Essener Norden mit bis zu 30 Prozent eine hohe Anzahl von Menschen mit nicht­deutscher Staatsangehörigkeit: Sprach­barrieren, Schwellenängste im Umgang mit Behörden, kulturelle Besonderheiten und ein fehlendes Netzwerk vor Ort stellen für diese Familien häufige Heraus­forderungen dar. Zugleich gibt es Situationen, die Familien vor große Probleme stellen und die unabhängig von der Herkunft sind, wie psychische Erkrankungen, Armut und Analphabetismus.

Gesundheits-und Krankenpflegerin Alina Schrör. © Krupp-Stiftung/Foto: Schuchrat Kurbanov
Gesundheits-und Krankenpflegerin Alina Schrör. © Krupp-Stiftung/Foto: Schuchrat Kurbanov

„Auch bei komplikationslosen Schwangerschaften und Geburten ergeben sich oft später Fragen bei den Eltern. Überforderung ist ein großes Thema“, berichtet Hebamme Ivonne Rauer. „Wir helfen, dass die Familien möglichst nicht ins Stolpern geraten, sondern gut aufgefangen werden.“ Dazu trägt neben der klassischen Heb­ammen­versorgung, wie Schwangeren­vorsorge, Wochen­bett­begleitung, Beikostberatung und Hilfe­stellungen im Alltag mit dem Baby, die gesund­heitliche Aufklärung zu Themen, wie U-Untersuchungen, Impfungen und Beratun­g zu Zahngesundheit und Ernährung, bei. „Wir arbeiten sehr viel präventiv und haben den Gesundheitsstatus der Kinder im Blick“, sagt Gesundheits- und Kinderkrankenschwester Alina Schrör.

Hilfreiches Netzwerk

In den Praxisräumen können Säuglinge untersucht werden, Hand­griffe wie Wickeln oder Stillen gezeigt und Spiel- und Bewe­gungs­gruppen veranstaltet werden. Gerade Spielgruppen und Elterncafé sind gute Angebote für Mütter und Väter, die auf diese Weise Kontakte knüpfen und sich mit anderen jungen Familien austauschen können.

Die Familien, die von der Hebammenpraxis „Schützende Hände“ betreut werden, profitieren nicht nur von der übergreifenden Zusammenarbeit von Hebamme und Kinderkrankenschwester, sondern auch vom umfassenden fachlichen Netzwerk der Hebammenpraxis. Ivonne Rauer und Alina Schrör kooperieren sowohl mit DKSB-eigenen Einrichtungen, wie dem Projekt „Gesunder Auftakt, Kinderkleiderladen KLEINER ELEFANT, Schreikindambulanz, Zentrum für Kindesentwicklung und Interdisziplinäre Frühförderstelle, als auch mit pädiatrischen und gynäkologischen Praxen, Jugendamt und Gesundheitsamt.

Kontakt zur Hebammenpraxis “Schützende Hände”