Sie sind klein, bunt – und sorgen unter Eltern für jede Menge Diskussionen. Brauchen Kinder Smartwatches oder nicht? Symbolfoto: iStock.com/Yurii Sliusar
 

Der direkte Draht zu Mama und Papa

Brauchen Kinder Smartwatches oder nicht?
30. August 2023, Nicole Vergin

„Mein Freund und ich wollen heute Nachmittag alleine Eis essen gehen. Darf ich?“ Vielen Eltern wird bei solchen Fragen etwas mulmig. Sie machen sich Sorgen, ob ihr Kind den richtigen Weg findet und allein zurechtkommt, wenn Mama oder Papa nicht dabei sind. Abhilfe versprechen Smartwatches für Kinder. Das sind Armbanduhren, die den direkten Draht zu den Eltern sicherstellen. Je nach Modell verfügen sie über eine Anruffunktion, GPS-Ortung, SOS-Taste und vieles mehr. Sie sind klein, bunt – und sorgen unter Eltern für jede Menge Diskussionen. MENSCHENSKINDER! hat mit zwei Müttern über Smartwatches gesprochen und den Kinderschutzbund nach Empfehlungen gefragt.

Was für Kinder-Smartwatches spricht

Emilia (8) besitzt seit acht Monaten eine Smartwatch. „Ich habe mich intensiv damit beschäftigt und mich schließlich dafür entschieden, obwohl ich lange sehr skeptisch war“, sagt Emilias Mutter, Sabrina Müller-Kolodziej. „Durch die Smartwatch gewinnt Emilia viel mehr Freiheit und Selbstbestimmung. Sie kann zum Beispiel selbstständig zu einer Freundin gehen und falls sie diese nicht antrifft, ruft sie mich an und bespricht mit mir ihre weiteren Pläne.“ Wenn ihre Tochter eine Frage oder ein Problem habe, müsse sie sich keine Sorgen machen, was zu tun sei, sondern könne schnell mal nachfragen. „Gestern beispielsweise fiel die letzte Schulstunde aus und es war niemand da, als Emilia nach Hause kam. Da hat sie mich dann angerufen und geklärt, was sie tun kann“, erzählt Sabrina Müller-Kolodziej. Außerdem könne ihre Tochter mit der Smartwatch auch selbstständig mit anderen Menschen telefonieren, deren Nummern im Gerät gespeichert sind.

Als großen Nachteil betrachtet es Sabrina Müller-Kolodziej, dass sie die GPS-Ortung der Smartwatch nicht abstellen kann. Sie ist Mitarbeiterin des Kinderschutzbundes NRW und findet es ungünstig, „dass ich meine Tochter dauerhaft überwache, obwohl ich das gar nicht möchte.“ Ausschlaggebendes Argument für Sabrina Müller-Kolodziej für die Smartwatch war: „Ich habe mir eingestanden, dass man Kinder nicht vor der digitalen Welt ´schützen´ muss und kann, sondern mit ihnen gemeinsam den Umgang damit lernen muss. So bietet die Smartwatch Zugang zur digitalen Welt ohne die uneingeschränkten Möglichkeiten eines Smartphones.“

Und das sind die Gegenargumente

Stefanie Holten und ihr Mann haben sich gegen eine Smartwatch für ihre Söhne Felix (7) und Paul (9) entschieden. Einer der wichtigsten Gründe: die Ortung der Kinder per GPS. „Das ist ja eine komplette Überwachung, die man durch diese Uhren hat – ob das auf dem Schulweg ist oder in der Freizeit“, sagt Stefanie Holten. Man kann genau sehen, wo die Kinder sich befinden – ich finde das wirklich sehr schwierig.“ Schließlich hätten Kinder auch ein Recht darauf, sich allein draußen zu bewegen, ohne dass ihre Eltern wissen, wo genau sie sind. „Außerdem ist es mir wichtig, dass meine Kinder lernen, selbständig Probleme zu lösen“, meint Stefanie Holten. „Das stärkt sie doch, wenn sie wissen: Ich habe das alleine geschafft – ohne Mama oder Papa.“

Das empfiehlt der Kinderschutzbund

„Eltern sollten aus meiner Sicht genau abwägen, ob ihr Kind eine Smartwatch wirklich braucht oder nicht“, sagt Krista Körbes, Landesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes in NRW. Wenn sie dafür entscheiden, sei es wichtig, sich vor dem Kauf gut zu informieren und die Uhr nicht als absolutes Sicherheits-Medium anzusehen. „Viel wichtiger ist, dass man Kindern Vertrauen vermittelt und mit ihnen über Dinge spricht, die passieren könnten, wovor man Sorge hat und welche Möglichkeiten bestehen, sich Hilfe zu holen oder seine Grenzen aufzuzeigen“, so Krista Körbes. Smartwatches seien dabei nur eine Handlungsmöglichkeit von vielen. Grundsätzlich brauchen Kinder natürlich das Selbstvertrauen, Probleme eigenständig lösen zu können. Es sei sinnvoll, sie immer wieder zu ermutigen, zuerst selbst nach einer Lösung zu suchen und nicht als ersten Reflex die Eltern anzurufen.

Die Ortungsfunktion der Smartwatches sieht Krista Körbes vom Kinderschutzbund sehr kritisch. „Das ist ein Eingriff in die Privatsphäre des Kindes. „Kinder brauchen die Freiheit, sich unbeobachtet bewegen zu können.“ Sie rät dazu, mit dem Kind gemeinsam die sensible Einstellung der Smartwatch vorzunehmen. Genau so hat das Sabrina Müller-Kolodziej mit ihrer Tochter Emilia gemacht. Und außerdem ist die Uhr nicht ständig an Emilias Arm, sondern regelmäßig auch immer wieder zu Hause.