Psychische oder emotionale Gewalt gibt es überall, auch beim Sport. Aber was ist das genau? Und wie können sich Kinder und Jugendliche verhalten, wenn sie psychische Gewalt erleben? MENSCHENSKINDER hat nachgefragt.
Es sind zwei Wörter, die ich unweigerlich mit Basketball verbinde: „Du Dummerchen!“ Es stimmt, die Regeln dieses Spiels hatte ich tatsächlich nicht wirklich verstanden. Was mir die gestrichelte Linie unter dem Korb sagen sollte und wie der Ball am besten da hineingelangen konnte: All das war mir absolut schleierhaft. Das sah mein Sportlehrer – ein braungebrannter Typ um die 50 – natürlich sofort und gab mir mit wegwerfender Handbewegung und einem herablassenden Gesichtsausdruck vor versammelter Klasse die zwei Worte „Du Dummerchen“ mit auf den Lebensweg. Die taten richtig weh und trugen zum beschämenden Gefühl bei, rettungslos unsportlich zu sein.
„Du Versager!“
„Jemanden runtermachen, beschimpfen, demütigen, überfordern oder Druck auf eine Person ausüben: All das ist psychische Gewalt“, erklärt Dr. Margareta Müller, Fachberaterin für den Bereich Gewalt gegen Kinder und Jugendliche beim Kinderschutzbund Landesverband NRW. Psychische Gewalt kommt in allen Lebensbereichen vor, auch beim Sport in der Schule und im Verein. Dazu gehören auch Sätze wie „Du taugst nur für die Ersatzbank“ oder „Du Versager, streng dich doch mal an“. „Viele Trainerinnen und Trainer wissen nicht, dass so etwas emotionale Gewalt ist und das Selbstbewusstsein von Kindern und Jugendlichen nachhaltig schwächen kann“, so Margareta Müller weiter. Mancherorts werde sie allerdings ganz gezielt eingesetzt. Beschimpfungen, Drohungen und Beleidigungen gehörten häufig zum Training, um zu motivieren und Leistungsdruck aufzubauen – vor allem dann, wenn das Leistungsniveau zunimmt. 63 Prozent der Befragten einer repräsentativen Studie aus dem Jahr 2022 gaben an, psychische Gewalt im Vereinssport erfahren zu haben (durchgeführt von der Deutschen Sporthochschule Köln, dem Universitätsklinikum Ulm und der Bergischen Universität Wuppertal).
Was können Kinder und Jugendliche bei psychischer Gewalt tun?
„Psychische Gewalt ist niemals okay. Das sollten Kinder und Jugendliche wissen und ermutigt werden, sich jemandem anzuvertrauen“, empfiehlt Margareta Müller vom Kinderschutzbund NRW. Das könnten die Eltern sein oder jemand aus dem Verein. „Der Sportverein sollte grundsätzlich Ansprechpersonen nennen, an die sich Kinder und Jugendliche wenden können, und Beschwerdemöglichkeiten einrichten.“ Wichtig ist, dass die Erwachsenen – die Eltern und oder die Ansprechperson aus dem Verein – dem betroffenen Kind oder Jugendlichen aufmerksam zuhören und besprechen, was zu tun ist, um die Gewalt möglichst schnell zu stoppen. Wenn die Gewalterfahrung bereits sehr belastend ist, können auch die Fachleute aus einer Beratungsstelle unterstützen.
Wie wollen wir miteinander umgehen?
Viele Sportvereine haben sich auf den Weg gemacht, um Gewalt – auch psychischer Gewalt – vorzubeugen. Sie entwickeln oder haben bereits ein Konzept zum Schutz vor Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. „Vereine können eine Kultur des Hinsehens schaffen“, erklärt David Knöß, Referent zum Schutz vor Gewalt bei der Deutschen Sportjugend, im Interview mit der Verbandszeitschrift „Kinderschutz. Das Magazin“. „Dazu gehört, gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen Verhaltensregeln zum Umgang miteinander zu erarbeiten. Diese Regeln sollten dann alle im Verein kennen und anwenden.“ David Knöß ist sicher: „Die Trainer*innen können eine Wohlfühlatmosphäre schaffen, in der Gewalt keinen Platz hat, aber die Leistung und Motivation der Kinder und Jugendlichen gefördert wird.“
Mehr Informationen
Anlaufstellen im Sport
- Safe Sport e.V.: Unabhängige Ansprechstelle für Betroffene sexualisierter, psychischer und physischer Gewalt im Sport
- Anlauf gegen Gewalt (im Spitzensport)
Beratungsstellen
- Kinder- und Jugendtelefon der „Nummer gegen Kummer“
- Online-Beratung der „Nummer gegen Kummer“
- Elterntelefon der „Nummer gegen Kummer“