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Jeder Sechste hält Ohrfeigen für angebracht

Studie zu Körperstrafen
27. November 2020, Nicole Vergin

Jeder Zweite ist noch immer der Auffassung, dass ein Klaps auf den Hintern noch keinem Kind geschadet habe. Jeder Sechste hält es sogar für angebracht, ein Kind zu ohrfeigen. Das sind Ergebnisse aus einer aktuellen repräsentativen Studie der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm, UNICEF Deutschland und dem Kinderschutzbund.

Die gute Nachricht: Körperstrafen sind insgesamt seltener geworden

Das klingt heftig, es gibt aber auch positive Neuigkeiten. Seit der Jahrtausendwende ist der Anteil der Menschen, die Gewalt anwenden bzw. als angebracht ansehen, insgesamt gesunken. Gaben in einer Befragung aus dem Jahr 2005 noch rund drei Viertel der Befragten an, einen „Klaps auf den Hintern“ als Erziehungsmethode verwendet zu haben, hielten im Jahr 2016 nur noch 44,7 Prozent und im Jahr 2020 nur noch 42,7 Prozent diese Strafe für angebracht. Die Anzahl der Menschen, die körperliche Bestrafungen akzeptieren, ist in den letzten vier Jahren ähnlich geblieben. Insbesondere leichtere Körperstrafen bleiben bei einem erschreckenden Teil der deutschen Bevölkerung weiter verbreitet.    

Auch Liebesentzug und Herabwürdigungen sind Formen von Gewalt

Vor 20 Jahren trat in Deutschland das Recht jedes Kindes auf gewaltfreie Erziehung in Kraft. Das hat dazu beigetragen, die Einstellungen zu Körperstrafen in der Erziehung zu verändern und körperliche und psychische Gewalt gegen Kinder zurückzudrängen. „Doch darauf dürfen wir uns nicht ausruhen“, sagt Prof. Dr. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm. Denn noch immer verharmlosen zu viele Menschen körperliche Übergriffe wie Ohrfeigen. Auch psychische Gewalt, die häufigste Form der Misshandlung, wird viel zu häufig tabuisiert. Unsere Gesellschaft muss akzeptieren, dass Gewalt viele Gesichter hat und Kindern immer schadet.“

„Vielen Menschen ist gar nicht bewusst, dass auch Strafen mit Nicht-Achtung, Liebesentzug oder auch Herabsetzung von Kindern Formen der Gewalt sind. Hier besteht noch viel Aufklärungsbedarf für einen Bewusstseinswandel“, so Krista Körbes, Geschäftsführerin des Kinderschutz­bundes in Nordrhein-Westfalen.

Auf der Webseite des Bundesverbandes des Kinderschutzbundes finden Sie weitere Hintergründe zur Studie.

Hier können Sie eine Zusammenfassung der Ergebnisse nachlesen; hier können Sie die vollständige Studie herunterladen.

Wenn Sie Unterstützung brauchen

  • In jeder Stadt gibt es Erziehungs- und Familienberatungsstellen, die Eltern dabei helfen, Konflikte ohne Gewalt zu lösen. Auch der Kinderschutzbund bietet in vielen Städten Beratung und Unterstützung an.
  • In Elternkursen wie Starke Eltern – Starke Kinder® können sich Mütter und Väter untereinander austauschen. Sie lernen Wege kennen, um den Familienalltag zu entlasten und wertschätzend mit ihren Kindern umzugehen. Der Kinderschutzbund und andere Träger bieten den Kurs vielerorts an.
  • Auch telefonisch können sich Mütter und Väter Unterstützung holen. Das Elterntelefon der „Nummer gegen Kummer“ ist montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr und dienstags und donnerstags von 17 bis 19 Uhr anonym und kostenlos erreichbar: 0800 111 0 550