Schulöffnungen nach Corona. Foto: AdobeStock
Schulöffnungen nach Corona. Foto: AdobeStock
 

Ein Plädoyer für einen anderen Alltag nach den Schulöffnungen

„Kinder und Jugendliche brauchen jetzt vor allem soziale Erfahrungen“
9. März 2021, Nicole Vergin

„Ab nächster Woche habt ihr Wechselunterricht in der Schule!“ Viele Schülerinnen und Schüler haben bei der Nachricht über die Schulöffnungen laut gejubelt. Endlich die ganze Klasse wiedersehen – live und nicht auf dem Bildschirm. Endlich wieder den Lehrer oder die Lehrerin spontan etwas fragen können, ohne dafür den Computer anschalten zu müssen. Endlich wieder ein bisschen normal leben. Jungen und Mädchen auf weiterführenden Schulen haben lange darauf gewartet, wieder zur Schule gehen zu können, und dabei seit Wochen etwas neidisch auf die Grundschulen und die Abschlussklassen geblickt. Aber ihnen war auch klar, dass die Pandemie eine absolut außergewöhnliche Situation ist, auf die wir uns alle einstellen müssen.

Schulöffnungen: Welche Konzepte gibt es für einen angepassten Schulalltag?

„Leider stellt sich das System Schule auf diese außergewöhnliche Situation viel zu wenig ein“, kritisiert Krista Körbes, Landesgeschäftsführerin des Kinderschutzbundes (DKSB) in Nordrhein-Westfalen. „Nach unserer Wahrnehmung überwiegt der Gedanke in den Schulen, dass nach den Schulöffnungen jetzt alles so weitergehen muss wie in jedem anderen Schuljahr auch“, so Krista Körbes weiter. Wie ließe es sich sonst erklären, dass kurz nach den Schulöffnungen sofort Klassenarbeiten geschrieben werden. „Den Lehrkräften geht es darum, bewertbare Leistungen zu sehen. Die Zeit jetzt ist aber mit einem normalen Schuljahr nicht vergleichbar. Die Kinder und Jugendlichen brauchen gerade etwas ganz anderes“, betont die Landesgeschäftsführerin und ergänzt: „Seit Beginn der Pandemie müssen Kinder und Jugendliche ihre Bedürfnisse hintanstellen. Sie verzichten auf vieles und können sich nicht altersgerecht ausprobieren. Gleichzeitig müssen sie sich im Online-Unterricht selbst motivieren, stehen unter Leistungsdruck und das ohne den Ausgleich über soziale Kontakte.“

Das System Schule muss umsteuern

Dieses Schuljahr ist ein ganz besonderes. Darauf muss das Schulsystem im Interesse der Kinder und Jugendlichen reagieren, so die Forderung des Kinderschutzbundes in Nordrhein-Westfalen. „Welche Konzepte hat das Schulministerium bislang vorgelegt, um etwas Druck rauszunehmen?“, fragt DKSB-Landesgeschäftsführerin Krista Körbes. Gerade die Abschlussklassen stünden unter hohem Stress und könnten derzeit nicht einschätzen, wie sie bewertet werden und wie sich das Distanzlernen auf die Vergabe ihrer Abschlusszensuren auswirkt. „Und welches Konzept hat das Schulministerium für benachteiligte Schülerinnen und Schüler?“, fragt Krista Körbes weiter. Jetzt so weiterzumachen, als hätte es die lange Zeit des Distanzlernens nicht gegeben, und von den Schülerinnen und Schülern zu verlangen, sich so zu verhalten, sei realitätsfremd und unangemessen. Dazu käme, dass durch die immer noch hohen Infektionszahlen immer wieder Kinder und Jugendliche in Quarantäne müssen und dadurch zusätzlichen Unterricht und soziale Kontakte verpassen – was den Druck wiederum erhöht.

Den Kindern und Jugendlichen tut die Öffnung der Schulen aus Sicht den Kinderschutzbundes gut – auch wenn so manchen von ihnen wie auch den Eltern die hohen Infektionszahlen Sorgen bereiten. „Dafür braucht es aber weitergehende Maßnahmen, z. B. endlich auch kostenfreie FFP2-Masken für die Kinder, Raumlüfter, Trennscheiben, aber vor allem Angebote, die den sozialen Druck auffangen und den zwischenmenschlichen Austausch fördern“, betont Landesgeschäftsführerin Krista Körbes.