Familienleben oder FamilienBEBEN?

„In deinem Alter wollte ich auch noch keine Kinder!”

27. September 2022,

Von „Benjamin Blümchen“ in Dauerschleife über „Hilfe, ich hab‘ das Internet gelöscht!“ bis hin zum lautstarken Teenieterror aus der Nachbarswohnung – Familien halten so einige Knaller bereit. Mal lustig, mal herzzerreißend, mal total chaotisch oder Honigkuchenpferd-glücklich – das Best-of des alltäglichen Familienwahnsinns in unterschiedlichen Perspektiven gibt es hier in der neuen MENSCHENSKINDER!-Kolumne!

„In deinem Alter wollte ich auch noch keine Kinder.” Ein Satz, den man gerade als Mädchen oft zu hören bekommt.

Doch die Entscheidung gegen Kinder ist nicht immer kindhafter Leichtsinn und ich empfinde den Ausspruch gegen Kinder sogar als Schutzmechanismus. Denn selbst ich als 16-jähriges Mädchen, erkenne die Gefahren und den Sexismus, die hinter der Aussage stecken. Mit dieser Erkenntnis fühle ich mich jedoch alleine gelassen. Ich sehe viele Gründe, die für einen Kinderwunsch sprechen, aber zu mir passt es trotzdem nicht richtig.

Als ich dies im Unterricht sagte, sah ich jedoch mehr geschockte als begeisterte Gesichter. Meine Lehrerin schlug dieses Thema als Diskussionsthema vor und war auch die Erste, die die Stille brach: ,,In deinem Alter wollte ich auch noch keine Kinder.“

Das war nicht die Reaktion, die ich erwartet hatte. Ich war enttäuscht. Normalerweise nahm sie unsere Klasse immer ernst. Und nun wollte sie nicht mal eine Begründung wissen. Was für eine Diskussion sollte das sein? Mein Gesichtsausdruck sprach anscheinend Bände, weshalb mich meine Lehrerin fragte, ob sie etwas Unpassendes gesagt hätte. Ich antwortete nicht auf ihre Frage und führte die Diskussion weiter: ,,Doch was, wenn es nicht nur an meinem Alter liegt?”, sagte ich herausfordernd, da ich nun aufgebracht war.

Wenn man über Kinder und Familie redet, assoziiert man dies meistens mit Glück und Freude, oder wenigstens dem Wunsch danach. Doch wie die meistens wissen, ist dies gar nicht so einfach.

Darauf haben viele Faktoren einen Einfluss. Sogar Dinge wie die ökonomische Lage.

 Denn eine höhere Armutsrate wird mit einer höheren Rate von Familienkonflikten, Kindesvernachlässigung und Missbrauch und Gewalt zwischen Partnern assoziiert. Dies ist etwas, was man niemand, in egal welchem Alter wünscht. Weshalb nicht nur der Wünsch nach Enkelkindern oft aufkommt, sondern auch für eine stabile finanzielle Lage für das Kind. Es gibt viele Faktoren, die einen Einfluss auf die finanzielle Lage des Kindes haben. Und die Entscheidung für oder gegen ein Kind im jungen Alter ist einer davon. Weswegen die vorliegende Aussage so problematisch ist. Einerseits muss man beachten, dass die Meinung vieler Frauen sich im Alter geändert haben und sie doch ein Kind wollten. Doch bringt diese Entscheidung immer Vorteile und sollte als positiv gesehen werden? In der Arbeitswelt bringt schon die Möglichkeit Kinder zu bekommen Nachteile mit sich. Denn Arbeitgeber wissen, dass Frauen evtl. in Elternzeit gehen können, was Verlust bedeuten könne. Weshalb vor allem Frauen einen Nachteil, bei einem Ausspruch eines Kindheitswunsches erhalten.

 

Nicht nur in der Arbeitswelt werden Frauen, aufgrund eines Kinderwunsch, anders gesehen. Im Gegensatz zu der Arbeitswelt wird die Geburt der Kinder als Vorteil der Frau gesehen. Das hört sich zunächst womöglich positiv an, jedoch verbirgt sich auch dahinter Sexismus. Leidersieht die Gesellschaft nicht nur den Vorteil, sondern sieht es schon fast, als Voraussetzung als Frau Kinder zu bekommen. Weswegen man seinen Töchtern diese Worte nicht in diesem Sinne vermitteln sollte. Denn es ist gegeben, dass sich Meinungen ändern können. Aber man sollte nicht das Bild vermitteln, dass das Leben einer Frau nur mithilfe eines Kindes vollkommen sein kann.

Diese Aussage hat jedoch nicht nur sexistische Hintergründe. Wir sollten uns im Klaren sein, dass es im Leben immer etwas geben kann, was die Entscheidung von einer Person ändern kann. Aber Eltern, oder auch andere Leute, die diese Aussage von sich geben, sollten einen Wunsch nach einem kinderlosen Leben respektieren.

Für mich fühlt sich diese Entscheidung genau richtig und selbstlos sein. Natürlich stelle ich mir aber auch die Frage, was ein häufiger Grund für einen Wunsch nach Kindern ist.

Ich sprach deswegen auch viel mit anderen und wollte auch ihre Gründe und Sichtweisen wissen. Dabei fand ich heraus, dass der Wunsch, jemanden zu haben, der sich im Alter um einen sorgt bei den meisten der Grund für einen Kinderwunsch war. Doch meiner Meinung nach ist dies selbstsüchtig und sollte als Grund nicht ausreichend. Zu meiner Überraschung war dies aber nicht nur ein Grund für junge Leute, sondern auch für Leute, die schon Kinder bekommen haben.

Ebenfalls sprechen viele von dem Wunsch nach einem ,,Mini-Me“, aber auch dies spricht von wenig Selbstlosigkeit. Sie machen darin den Fehler, falsche Erwartung an einen Menschen zu stellen, der noch nicht einmal geboren ist. Diese Erwartungen und Projektionen von nicht verwirklichten Träumen führen zu einer gescheiterten Beziehung zum Kind.

So etwas passiert, weil Leute sich für Kinder entscheiden, obwohl sie noch nicht dazu bereit sind. Oft schon im jungen Alter.

So wird klar, wieso man nicht mit ,,In deinem Alter wollte ich auch noch keine Kinder” antworten sollte. Denn dieser Satz sagt aus, dass man die Entscheidung der Person nicht ernst nimmt. Deshalb ist bei diesem Thema immer zu einem ernsthaften Gespräch geraten. Denn wenn das Kind sich nicht in der Lage fühlt, ein Kind zu erziehen, dann ist dies eine sehr reife, und keineswegs leichtsinnige Entscheidung. Dies kann sich natürlich ändern. Aber man sollte nicht von sich auf andere schließen und eher Respekt für die Person zeigen, die in einem so jungen Alter schon so selbstlos handelt.”

Erst jetzt merkte ich, wie lange ich schon sprach. Mein Monolog wurde von der Pausenklingel unterbrochen. Ich war gerade auf dem Weg in die Pause, als meine Lehrerin mich bat, noch für einen Moment zu bleiben und ich stimmte zu. Sie entschuldigte sich für ihre vorschnelle Annahme. Ebenfalls sagte sie, dass sie meine Meinung teilt und sie diese Entscheidung nun auch als durchdacht ansieht. Sie schlug mir vor, meine Sicht des Themas am nächsten Elterntag anzusprechen. Jetzt war es an mir, geschockt dreinzublicken, nahm ihr Angebot aber an.

 

Dies ist ein Appell an alle Eltern und Erziehungsberechtigte: Seid euch im Klaren, dass sich die Meinung einer Person im Alter noch ändern kann. Aber gleichzeitig solltet ihr immer in Betracht ziehen, dass manche Entscheidungen der Kinder und jungen Erwachsenen doch durchdachter sind, als mancher vielleicht annimmt.