Abwertende Kommentare im Internet über ihren Körper belasten viele Jugendliche. Was tun? Symbolfoto: WOKANDAPIX auf Pixabay
 

„Du bist fett!“

Wie Jugendliche und ihre Eltern mit Bodyshaming im Netz umgehen können
19. April 2024, Nicole Vergin

Bin ich schön? Das fragen sich besonders Jugendliche – und viele von ihnen versuchen, einem Idealbild zu entsprechen. Gerade in den sozialen Netzwerken spielt das Aussehen eine große Rolle. Bodyshaming – also abwertende Bemerkungen über den Körper anderer Menschen – sind an der Tagesordnung. Wie können Jugendliche und ihre Eltern damit umgehen? Eda Kanber arbeitet beim Kinderschutzbund NRW als Fachberaterin für Medienkompetenz und hat ein Projekt zu Bodyshaming geleitet. MENSCHENSKINDER hat mit ihr gesprochen.

 

Eda Kanber, Fachberaterin für Medienkompetenz beim Kinderschutzbund NRW

Wie erleben Jugendliche Bodyshaming im Internet?

Eda Kanber: Grundsätzlich ist Bodyshaming kein neues Phänomen. Das gab es auch schon vor den Zeiten des Internets, wenn andere sich zum Beispiel über die Pickel eines Jugendlichen oder die Figur lustig machten. Durch das Internet und gerade durch die sozialen Netzwerke ist das alles aber viel krasser geworden. Wer Fotos von sich postet, die für die Öffentlichkeit sichtbar sind, macht sich für wildfremde Menschen zur Zielscheibe – und das 24 Stunden am Tag.

 

Was passiert denn konkret?

Eda Kanber: Die Jugendlichen bekommen abwertende Kommentare zu ihrem Äußeren – teils von Bekannten, aber auch von fremden Personen, wenn sie öffentliche Profile haben. Das kann alles Mögliche sein: zu dünn, zu dick, zu wenig männlich oder weiblich … Es geht beim Bodyshaming immer darum, dass der Körper nicht schön genug, nicht ausreichend ist. Das alles hat viel mit Kontrollverlust zu tun. Die Jugendlichen wissen nie, welche erniedrigenden Kommentare auf sie einprasseln und wie sie damit umgehen können. Dazu gehören verletzende Aussagen wie „Du bist fett“ oder „Du solltest unbedingt mal Sport machen“. So etwas will natürlich niemand hören oder lesen.

 

Jugendliche haben diese Fotos bei einem Bodyshaming-Projekt beim Kinderschutzbund Detmold erstellt. Foto: DKSB OV Detmold

Wie können Jugendliche sich wehren?

Eda Kanber: Sich abgrenzen, das ist dabei ganz wichtig. In der analogen Welt, also in der Schule oder der Freizeiten, könnten sie antworten: „Ich habe dich nicht nach deiner Meinung gefragt“ oder „Hör auf, meinen Körper zu bewerten“. So etwas können sie im Internet natürlich auch antworten. Die Basis dafür ist eine gesunde Selbstliebe und die Akzeptanz des eigenen Körpers. Jugendliche sollten sich vor dem Posten klarmachen, dass sie schöne Kommentare zu ihren Fotos und damit zu ihrem Aussehen bekommen können, aber auch abwertende. Wer das nicht möchte, sollte seine Fotos grundsätzlich nur einem eingeschränkten Personenkreis zeigen.

 

Foto: DKSB OV Detmold

Welche Rolle spielen die Einstellungen in den sozialen Netzwerken?

Eda Kanber: Eine sehr entscheidende, finde ich. Jugendliche sollten sich überlegen, wer ihre Fotos sehen darf – und das in den Privatsphäre-Einstellungen des jeweiligen sozialen Netzwerks festlegen. So können sie verhindern, dass sie mit abwertenden Kommentaren von Wildfremden zurechtkommen müssen. Wenn die Äußerungen von Bekannten kommen, ist es wichtig, sich abzugrenzen, den Kontakt zu blocken und ggf. zu melden.  

 

Was können Eltern tun, wenn ihre Kinder Bodyshaming im Netz erleben?

Eda Kanber: Jugendliche brauchen das gute Gefühl, dass sie sich an ihre Eltern wenden können, wenn ihnen etwas Unangenehmes passiert. Das gilt auch für Bodyshaming. Die Eltern sollten ihren Kindern den Raum geben, um darüber zu sprechen – sie aber nicht abstrafen und ihnen schon gar nicht das Internet verbieten. Gemeinsam kann die Familie die Privatsphäre-Einstellungen überprüfen und überlegen, ob sie die Person melden wollen, die den abwertenden Kommentar geschrieben hat. Wenn sie allein nicht weiterwissen, sollten sich Eltern Unterstützung von außen holen. Ein weiterer Tipp ist, dass die Eltern gemeinsam mit ihren Kindern durch die Seiten und Profile bekannter Stars scrollen. Für die Jugendlichen ist es oft sehr beruhigend, wenn sie merken, dass selbst Beyoncé oder Taylor Swift Hasskommentare bekommen. Egal, wie man aussieht: Es gibt einfach Menschen, die nur darauf warten, etwas Abwertendes zu posten.

 

Foto: DKSB OV Detmold

Wie können Eltern ihren Kindern ein positives Körperbild vermitteln?

Eda Kanber: Wir sind alle unterschiedlich. Jeder Mensch sieht anders aus, jeder hat schöne Körperteile und vielleicht weniger schöne und das ist alles sehr individuell. Das ist eine wichtige Botschaft, die Eltern ihren Kindern mit auf den Weg geben sollten. Und dass ihre Meinung wichtig ist und dass ihre Grenzen respektiert werden – auch das stärkt Kinder und Jugendliche.

 

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