Kolumne aus dem Alltag

Die totale Überwachung

Kolumne aus dem Alltag von Mareike Graepel.
9. Juli 2019, Mareike Graepel

Die Sommerferien sind da, hurra! Für viele Kinder sind sechs lange Wochen der Freiheit und der sorgenfreien Zeit ohne Termine angebrochen, in denen man nach Herzenslust spielen, lesen und toben kann. Es sei denn, man spielt bei schönstem Wetter und andauernd mit dem Handy — dann vergehen Tage und Wochen ohne das Gefühl von unendlicher Wildheit.

Viele Eltern befolgen die Ratgeber der Medienexperten, die Zeit mit Handy und Rechner zu begrenzen. Andere drücken den Kindern die gerade auch als Babysitterersatz in die Hände. Mit einer anderen Mutter habe ich kürzlich noch darüber diskutiert, ab wann Kinder Handys haben sollten. Eines ihrer Argumente für Handys, auch auf dem Schulhof, war, dass es ja auch niemand bestrafen würde, wenn alle Kinder ein Buch dabei hätten. Der Wert eines gelesenen Buches und der eines zum Spielen und Kommunizieren genutzten Smartphones liegen meines Erachtens meilenweit auseinander — aber ich verstehe, was sie meint. Allein, dass ein ganzer Schulhof mit lesenden Kindern übersät ist, das wird wohl Wunschdenken bleiben. Ich unterstelle meiner Gesprächspartnerin, dass ein weiterer Gedanke hinter den Handy-Überlegungen steckt: die ständige Erreichbarkeit ihres Kindes. Müssen Kinder ständig erreichbar sein? So wie Erwachsene? Wir finden das doch auch oft anstrengend, oder?

In der Regel sollten die Eltern doch wissen, wo ihre Kinder stecken, auch ohne GPS-Überwachung. Zum Sport oder zu einer Verabredung schicken wir die Kinder immer mit den Worten: „Auf dem direkten Weg hin und auf dem direkten Weg zurück.“ Für die Minuten der Bewegung von A nach B benötigen Kinder kein Handy. Aber dann erzählte ich meiner Mutter von den Recherchen zu einem Artikel über Tiere und Urlaub. „Stell dir vor“, sagte ich, „es gibt eine Hundepension, in der man vom Büro aus oder aus dem Urlaub seinen Hund über eine Webcam beobachten kann — und man darf sogar anrufen und darum bitten, das Tier extra vor die Kamera zu holen.“ Wenn das mal bloß nicht Schule macht, dachte ich. Zu spät. Meine Mutter entgegnete: „Längst passiert — in Frankfurt haben Eltern einen Antrag gestellt, ihre Kinder in einer KiTa per Webcam und WhatsApp überwachen zu können.“ Da gehen Menschen arbeiten, auch um das zusätzliche Geld dafür zu verdienen, ihr Kind vom Schreibtisch aus überwachen zu können. Das ist schon ein wenig verrückt. Oder?