Sie fühlt sich heiß an und voller Energie. Manche Menschen spüren einen „roten Feuerball“ im Bauch, wenn sie so richtig wütend sind. „Wut ist für viele ein ungeliebtes Gefühl, aber auch zutiefst menschlich“, sagt Konstanze Butenuth vom Kinderschutzbund Bundesverband. Sie hat den neuen Elternratgeber „Erziehen ohne Gewalt. Gemeinsam den Familienalltag meistern“ geschrieben und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Wut von Müttern und Vätern gerichtet. MENSCHENSKINDER! hat mit der Autorin gesprochen.

Viele Eltern kennen das: Sie sind ihrem Kind gegenüber wütend geworden und schämen sich dann. Wie können Väter und Mütter denn gut reagieren?
Konstanze Butenuth: Sich keine allzu großen Vorwürfe zu machen – das ist eine wichtige Botschaft. Es ist absolut normal, als Eltern auch mal Fehler zu machen. Sie können ihr Kind danach um Entschuldigung bitten und sagen, dass sie sich falsch verhalten haben. Dann hilft es, einen Schritt zurückzutreten und sich zu überlegen: Was möchte ich eigentlich in der Beziehung zu meinem Kind verändern? Schließlich sind wir als Erwachsene dafür verantwortlich, wie diese Beziehung aussieht und wie wir sie gestalten.“
Was macht Eltern denn so anfällig für Wut?
Konstanze Butenuth: Das können ganz unterschiedliche Dinge sein: wenig Schlaf etwa. Wer übermüdet ist, hat wenig Geduld und reagiert eher ungehalten als sonst. Außerdem können Zeitdruck und Überforderung dafür sorgen, dass Menschen schneller wütend werden – genauso wie ungestillte Bedürfnisse. Ganz einfach Hunger oder Durst zum Beispiel oder auch das Gefühl, seine eigenen Wünsche immer wieder hinter denen der Familie zurückzustellen. Die Wut sagt dann: „Hier stimmt etwas nicht.“ Wütend werden grundsätzlich alle Menschen. Wichtig ist nur, sich von diesem heftigen Gefühl nicht überwältigen zu lassen, einen guten Umgang damit zu finden – und vor allem keine Gewalt anzuwenden.
Wie reagiere ich denn, wenn ich als Mutter oder Vater im Zusammensein mit meinem Kind merke, dass die Wut hochsteigt?
Konstanze Butenuth: Das hängt ganz vom Alter des Kindes ab. Wenn Sie bei einem Baby spüren, dass Sie wütend werden und den Drang bekommen, Ihren Säugling anzuschreien oder vielleicht sogar zu schütteln, dann ist es wichtig, dass Sie Ihr Kind sofort an einen sicheren Platz legen – zum Beispiel ins Babybett. Danach sollten Sie den Raum verlassen. Schlagen oder Schütteln geht überhaupt nicht, weil das sehr gefährliche Verletzungen verursachen kann. Und auch Anschreien sollten Sie vermeiden, weil das dem Baby Angst macht.
Geben Sie sich Zeit, bis Sie sich wieder beruhigen können. Dann kommen Sie zurück zu Ihrem Kind – denn Ihr Baby wartet ja auf Sie und braucht Sie. Falls Sie merken, dass Sie mit Ihrer Wut nicht allein klarkommen, zögern Sie nicht, eine vertraute Person anzurufen oder das Elterntelefon der „Nummer gegen Kummer“. Dort bekommen Sie Unterstützung.
Ab zwei Jahren beginnt ja bei Kindern die Autonomiephase mit vielen Trotz- und Wutanfällen. Das kann Eltern auch schon mal rotsehen lassen. Wie reagiere ich dann, wenn dann die Wut in mir hochkommt?
Konstanze Butenuth: Am besten verlassen Sie dann auch bei Kleinkindern das Zimmer – aber nur, wenn das Kind dabei sicher ist und Sie es kurz allein lassen können. Sagen Sie dem Kind einfach vorher kurz Bescheid, dass Sie gleich wiederkommen, damit es nicht verunsichert ist. Wenn Sie aber nicht rausgehen können, dann atmen Sie tief durch und zählen Sie innerlich langsam bis zehn – das hilft wirklich, um etwas zur Ruhe zu kommen. Und ganz wichtig: Lassen Sie sich nicht von anderen Erwachsenen runterziehen, die meinen, Ihr Kind würde nur schreien, weil es schlecht erzogen ist. Die haben oft gar nicht das nötige Wissen, wie sich Kinder in diesem Alter entwickeln.
Ist bei Grundschulkindern denn etwas anders?
Konstanze Butenuth: Bevor ein Grundschulkind die ganze Wucht eines Wutanfalls von Mama oder Papa abbekommt, ist es auch hier besser, vorher aus dem Zimmer zu gehen und keine Drohungen auszusprechen. Wenn ein Streit mal aus dem Ruder läuft, dann unterbreche ich als Mutter oder Vater das Gespräch und sage meinem Kind zum Beispiel: „Lass uns später weiterreden, wenn wir beide nicht mehr so wütend sind.“ Und ich achte immer darauf, nicht meinem Kind die Schuld für meine Wut zu geben. Als Erwachsene*r hat man die Verantwortung für die Atmosphäre zuhause und bestimmt auch den Ton. Wenn ich merke, dass es irgendwie nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle, dann suche ich das Gespräch mit anderen Eltern, denen ich vertraue, mit der Erzieherin oder Lehrkraft oder auch mit einer Familienberatungsstelle. Denn ganz ehrlich, alle Eltern brauchen manchmal einfach Unterstützung.
Die Pubertät empfinden viele Eltern als besonders anstrengend. Was raten Sie Eltern von Pubertierenden – wie gehen sie am besten mit ihrer Wut um?
Konstanze Butenuth: Wenn Sie merken, dass Ihnen gleich der Kragen platzt, dann ist es auch hier besser, das Gespräch erstmal zu unterbrechen. Manchmal braucht man einfach einen Moment Abstand und kann die Sache später in Ruhe wieder aufnehmen. Ganz wichtig ist auch, keine Strafen wie Stubenarrest oder Taschengeldentzug auszusprechen, nur weil man gerade sauer ist. Und wenn Ihr Kind mal unfair oder sarkastisch wird oder sogar unverschämt – zahlen Sie es bitte nicht mit gleicher Münze zurück. Bleiben Sie in Ihrer Erwachsenenrolle. Jugendliche sagen manchmal Dinge im Affekt, die sie oft schon kurz danach bereuen. Da kann es auch passieren, dass Ihr Kind sich später entschuldigt – vor allem, wenn es selbst sieht, dass auch Sie zugeben können, wenn Ihnen mal ein Fehler passiert. Die Pubertät ist eine ziemlich verletzliche Zeit für junge Menschen. Wenn Sie merken, dass Sie alleine nicht mehr weiterkommen, scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Zum Beispiel können der Kinderschutzbund oder das Jugendamt in Ihrer Nähe gute Anlaufstellen sein, um sich beraten zu lassen.
Zum Weiterlesen
- Das ist der neue Elternratgeber „Erziehen ohne Gewalt. Gemeinsam den Familienalltag meistern“ vom Kinderschutzbund Bundesverband
- kinderschutzbund.de
- Das Elterntelefon der „Nummer gegen Kummer“ erreichen Sie unter Tel 0800 111 0 550 (montags, mittwochs und freitags von 9 bis 17 Uhr, dienstags und donnerstags von 9 bis 19 Uhr).