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Kinderarzt warnt: Handys schaden Babys und Kleinkindern

20. Juni 2025, Nicole Vergin

Ob beim Friseur, im Restaurant, im Wartezimmer beim Arzt oder einfach so beim Spazierengehen: Viele Kleinkinder halten in dieser Zeit ein Handy in der Hand und schauen gebannt auf den Bildschirm. „Was Eltern oft nicht wissen: Handys gehören nicht in die Hände von Babys und Kleinkindern“, sagt der Kinder- und Jugendarzt Michael Achenbach aus Plettenberg im Sauerland. Sein Rat, den zahlreiche seiner Kolleginnen und Kollegen unterstützen: Bildschirmfrei bis drei. MENSCHENSKINDER! hat mit Michael Achenbach über Handys für Babys und Kleinkinder gesprochen.

Herr Achenbach, welche Rolle spielen Smartphones in Ihrer Praxis für Kleinkinder?  

Michael Achenbach, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Pressesprecher Westfalen-Lippe des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzt*innen (BVKJ). Foto: BVKJ

Michael Achenbach: Ich sehe in meiner Sprechstunde nicht nur Kleinkinder mit Handys, sondern auch schon einige Babys. Beim Impfen haben kürzlich Eltern ihrem zwei Monate alten Säugling ihr Smartphone mit einem Film zum Anschauen gegeben, damit sich die Spritze nicht so schlimm anfühlt. Die Eltern meinten das gut und wollten das Kind mit dem Handy ablenken und trösten. Das ist aus meiner Sicht allerdings der komplett falsche Weg. Eltern können ihr Kind viel besser beruhigen, indem sie mit ihm sprechen, es auf dem Arm halten und wiegen. „Du bist nicht alleine“: Das zu erfahren, ist ein Grundbedürfnis kleiner Kinder – und das vermittelt kein technisches Gerät. Ich ermutige die Mütter und Väter grundsätzlich, das Handy wegzulegen und selbst aktiv zu werden.

Sie sagen, Handys haben in den Händen von Babys und Kleinkindern nichts verloren. Warum genau?

Michael Achenbach: Digitale Geräte sind für Babys und Kleinkinder vollkommen ungeeignet. In ihren ersten Lebensjahren brauchen Kinder vor allem reale Erfahrungen. Sie müssen krabbeln, laufen, klettern, buddeln, riechen, schmecken und fühlen, um sich gut entwickeln zu können. Wichtig ist vor allem der direkte Kontakt mit ihren Eltern und anderen Menschen. Handys können das alles nicht leisten und schaden der natürlichen Entwicklung.

Welche gesundheitlichen Risiken gibt es denn?

Michael Achenbach: Das sind zahlreiche. Wenn kleine Kinder viel mit dem Handy beschäftigt werden, können sie viele Lernerfahrungen nicht machen und verpassen unglaublich viel. Das heißt, sie bleiben in ihrer Entwicklung unter Umständen zurück. Um sich gut bewegen zu lernen, müssen Kinder viel laufen, greifen, insgesamt viel üben – und das machen sie am Handy nicht. Das betrifft auch das Sprechen. Es ist gut, wenn Eltern mit ihren Kindern gemeinsam Bilderbücher anschauen oder ihnen vorlesen und sie dann darüber ins Gespräch kommen. Durch Handys entziehen wir den Kindern viele wertvolle Lernerfahrungen. Das beeinträchtigt sie, genauso wie das stille Starren auf einen Bildschirm. Was Kinder da sehen, überfordert ihr Gehirn und schädigt auch ihre Augen:  Kurzsichtigkeit nimmt durch Handys zu. Die Wirklichkeit ist meist viel weiter entfernt und auch viel wichtiger und interessanter als alles, was auf dem Handy zu sehen ist.

Viele Kinder sehen aber ihre Eltern am Handy und wollen sie nachahmen. Was raten Sie da?

Michael Achenbach: Kinder dürfen auch noch kein Auto fahren oder Alkohol trinken, nur weil ihre Eltern das vielleicht machen. Und auch wenn Kinder vielleicht zunächst weinen. Ich rate den Eltern, konsequent zu bleiben und ihren Kindern das Handy nicht zu geben. Das Kind lernt das. Sinnvoller ist es aus meiner Sicht, dass auch Eltern das Handy häufiger zur Seite legen, sich ihrem Kind mit voller Aufmerksamkeit zuwenden und sich mit dem Kind beschäftigen. Ich klebe bei den Vorsorgeuntersuchungen ab der U5 übrigens immer einen Sticker der Aktion „Bildschirmfrei bis drei“ ins Heft. Wir als Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen empfehlen, Kinder unter drei Jahren ohne Bildschirme zu beschäftigen, die Mahlzeiten ohne Bildschirmmedien einzunehmen und sie möglichst nicht im Hintergrund laufen zu lassen.

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